Oma Frida hatte zahme Haare, wilde Augen, sowie ein verrücktes Lächeln.
Doch eines Tages fing sie an, Vergessen zu essen.
Morgens zum Kaffee gab sie auf ihr Marmeladenbrot, einen Klecks bitteres Vergessen.
Mittags zum Grießbrei mit selbst gepflückten Kirschen aus dem duftenden Garten, aß sie ein bisschen saures Vergessen, über das eigene Leben.
Abends mit Wurststulle und Milch, tunkte sie ihr Brot in ein bisschen deftiges Vergessen, vom Leben und wie man es meistert. Im Magen und Darm angekommen, breitete es sich in ihrem ganzen Körper aus. Und machte schwarz, was vorher bunt war. Nicht alles Vergessen passte in einen Körper. Den Rest packte sie zittrig und ängstlich in eine Schachtel. Diese Schachtel wurde mit jedem vergessenden Moment, mit jedem neuen Tag, größer und mächtiger. Bis Oma Frida selbst vergaß, das Vergessen in die Schachtel zu packen. Doch das Vergessen wurde trotzdem immer mehr. Nun breitete es sich überall aus. In ihrer ganzen Wohnung, kein Einhalt. An den Gardinen, auf dem Teppichboden, an den Wänden, unter ihrem Bett und in ihren Kleidern. Es hing an ihr wie ein hilfloses Kind, wenn man still war konnte man das Vergessen nach Aufmerksamkeit brüllen hören. So zog es an ihr, zog sie abwärts. Es fiel ihr immer schwerer aufzustehen. Auf ihrem Gesicht lag Vergessen, auf ihren Armen, Beinen und ihrem Bauch. Nur eine Stelle ihres Gesichtes blieb lange vom Vergessen vergessen. An ihrem Mund war noch da, was bald verging. Diese Stelle konnte sich noch lange erinnern, denn da hing einst ein liebestoller zarter Kuss. Es war der letzte Kuss ihrer großen Liebe, die im Krieg, verschwand. Doch selbst diese Stelle, wurde irgendwann stumm, da wohnte sie schon lange nicht mehr zu Hause. Sie lag wirr im Pflegeheim. Mit diesem Schachtelmonster von Vergessen in ihren Händen. Als ich sie besuchte, nahm ich ihr die Schachtel weg und versuchte das ganze Vergessen um sie herum einzufangen. Ich machte das Fenster auf, so dass das Vergessen hinaus flattern konnte, in der Hoffnung, dass meine Oma wieder die Alte wurde, die sie einst war. Doch es war vergebens. Erinnerte nur ich mich allein an unsere gemeinsame Zeit des Brot backens, Hühner fütterns, unsere Streits, unsere Versöhnungen, die Spaziergänge am Abend... ?
Als ich bemerkte, dass sie mich ansah, entdeckte ich mein eigenes Vergessen...
Es war eine andere Oma Frida, sie hatte nun wilde Haare, zahme Augen und ein verschrobenes Lächeln. In Liebe nahm ich sie in den Arm. Und eine meiner Tränen floss ihr die Wange herunter, da streichelte sie mein Gesicht und sagte: „Ähm, ich wolltDirähm san, s, wie sagman, Spazier... äh.. mitdiras war, äh s zusammen se, s war mir sr teuer... s war eine schönZeit!“
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